Unser Körper besteht zu einem großen Teil aus Muskeln. 656 Stück davon hat ein jeder von uns im Normalfall. Anteilig zum Rest des Körpers gesehen liegen wir damit bei einem Wert zwischen 30 und 40 Prozent. Kein Wunder also, dass wir nicht jeden von ihnen genau kennen.

In vielen Fällen wissen wir nicht einmal, wo welcher Muskel liegt und wofür er tatsächlich gut ist. Ein nicht sichtbarer, aber absolut unverzichtbarer Teil unseres Körpers mit überaus wichtigen Funktionen ist zum Beispiel die Muskulatur unseres Beckenbodens.

Mit der sogenannten Beckenbodengymnastik – und nicht Bodenbeckengymnastik, wie sie manchmal fälschlicherweise bezeichnet wird – wurde sogar bereits in den 40er Jahren ein spezielles Sportprogramm eigens für diesen Muskel entwickelt. Erfunden hat sie einst ein Mann namens Arnold Kegel, weshalb die Gymnastik für den Beckenboden mitunter auch Kegelgymnastik genannt wird.

 

Was genau versteht man unter der Beckenbodenmuskulatur?

Die Muskulatur des Beckenbodens besteht aus drei verschiedenen Schichten, die verteilt auf mehrere Etagen sowohl senkrecht als auch waagrecht verlaufen und so schlingenartig übereinander angeordnet sind. Diese Muskelschichten sind zum einen schlicht und einfach dafür verantwortlich, unsere Beckenknochen nach unten hin zu begrenzen.

Zum anderen sorgen sie dafür, dass die darüber sitzenden inneren Organe wie Darm, Blase und Gebärmutter dort bleiben, wo sie hingehören. Neben einigen Bauch- und Gesäßmuskeln werden zudem auch sämtliche Schließmuskeln zur Beckenbodenmuskulatur gezählt. Obendrein hat die innere Muskelgruppe sogar einen Einfluss auf unsere Körperhaltung.

Denn gemeinsam mit einigen Nebenmuskeln sorgt sie für die richtige Stellung unseres Beckens, wodurch die Wirbelsäule und der Rücken entsprechend entlastet werden. Da der Beckenboden nach unten hin nur durch den Harnausgang unterbrochen wird, sind Frauen aufgrund ihrer vaginalen Öffnung besonders anfällig für Störungen in diesem Bereich. Ihre Beckenbodenmuskulatur ist um einiges schwächer als bei Männern.

 

Wer sollte Beckenbodengymnastik machen und warum?

Die Gymnastik für das Becken wird somit am häufigsten von Frauen absolviert. Vor allem in der Schwangerschaft und nach der Entbindung nimmt die Beckenbodengymnastik einen hohen Stellenwert ein. Zunächst muss der Beckenboden mit dem wachsenden Kind im Bauch ein immer schwerer werdendes Gewicht tragen. Mit allem, was dazu gehört, wie etwa Gebärmutter, Plazenta und Fruchtwasser, sprechen wir hierbei von etwa sechs Kilo, die zusätzlich auf dem Beckenboden lasten.

Bei der Geburt wird dann kurzfristig auf das Gegenteil umgeschwenkt. Das Becken der Frau muss sich lockern und nach unten hin öffnen. Hierfür ist wiederum ein großes Maß an Flexibilität und Dehnung notwendig. Und genau auf diese extrem gegensätzlichen Anforderungen können Frauen sich durch gezielte Beckenbodengymnastik bereits während der Schwangerschaft vorbereiten.

Nach der Geburt dagegen muss erneut ein guter Halt trainiert werden. Wer allerdings bereits vor der Entbindung regelmäßig Beckenbodengymnastik für Schwangere absolviert hat, der wird sich auch später leichter tun, den Muskel erneut zu aktivieren und wieder aufzubauen. Dies ist vor allem deshalb wichtig, um – neben der Vorbeugung einer Gebärmutterabsenkung – einer Inkontinenz möglichst effektiv entgegenzuwirken.

Denn gerade Frauen, die erst kürzlich ein Kind bekommen haben, klagen häufig darüber, dass ihr Beckenboden spürbar geschwächt ist und dadurch vor allem die Verschlussmechanismen in diesem Bereich zeitweise nicht mehr zuverlässig funktionieren. Nach einer Gebärmutterentfernung ist das Training des Beckens ebenfalls von großer Bedeutung, um eine eventuell drohende Absenkung der Blase zu vermeiden.

 

Die Männerseite

Wer nun allerdings denkt, Beckenbodengymnastik sei nur etwas für Frauen, der liegt komplett falsch. Denn auch wenn im Allgemeinen sehr wenig darüber gesprochen wird, leiden ebenfalls viele Männer unter einer Störung der Beckenbodenfunktionen. Dies kann sich einerseits genauso in Form von Inkontinenz, andererseits aber auch durch Erektionsstörungen äußern.

In einem derartigen Fall kann Beckenbodengymnastik für Männer in gleicher Weise Abhilfe schaffen wie bei Frauen. Für viele Männer wird beispielsweise nach einer OP an der Prostata die Durchführung von Beckenbodentraining empfohlen. Wird von der Vorsteherdrüse aufgrund einer altersbedingten Vergrößerung ein Teil des Gewebes abgetragen oder wegen einer Krebserkrankung die Prostata möglicherweise komplett entfernt, müssen die dort sitzenden Muskeln mit entsprechender Gymnastik trainiert werden. Nur so lässt sich einem ungewollten Harnverlust erfolgreich und nachhaltig entgegenwirken.

Da sich mit der Absolvierung von Beckenbodengymnastik für den Mann zudem die Kontrolle über den gesamten Genitalbereich verstärkt, wird dadurch ganz nebenbei auch eine bessere Potenz bzw. Libido erreicht. Sollte der Mann bereits seit längerer Zeit oder nach der erfolgten Prostataoperation mit vorzeitiger Ejakulation oder fehlender Standfestigkeit zu kämpfen haben, gehören auch diese Probleme bald der Vergangenheit an – und das alles mithilfe von regelmäßig durchgeführter Beckenbodengymnastik für Männer.

 

Wie geht man bei der Beckenbodengymnastik genau vor?

Bevor Du mit der Gymnastik für das Becken beginnst, gilt für Mann und Frau gleichermaßen:  Wichtig ist, ein Gespür dafür zu bekommen, wo die zu trainierende Muskulatur genau sitzt und wie Du sie ansprechen kannst. Um dies herauszufinden, musst Du lediglich versuchen, Deinen Urinstrahl während des Toilettengangs anzuhalten. In diesem Moment wirst Du genau spüren, welchen Muskel Du dafür anspannen musst.

Ein Anhalten des Strahls sollte allerdings nur sehr selten, also tatsächlich nur ausnahmsweise für Trainingszwecke erfolgen. Da die Blase nicht so schnell auf das Stoppen anspricht, kann eine kleine Menge Restharn dort verbleiben, wodurch wiederum die Gefahr für Infekte steigt.

Bei Männern klappt das Auffinden der Beckenbodenmuskulatur übrigens auch, indem sie sich nackt vor den Spiegel stellen. Tu nun einfach so, als würdest Du Deinen Harnstrahl anhalten. Bewegen sich Deine Hoden leicht nach oben, während Du die Muskeln anspannst, hast Du Deinen Beckenboden erfolgreich aufgespürt. Aber egal ob Frau oder Mann – die im Umfeld befindlichen Muskelgruppen sollten dabei allesamt immer locker und entspannt bleiben.

Worauf Du während der Übungen für Beckenbodengymnastik ebenfalls stets achten solltest, ist Deine Atmung, da das richtige Atmen ausschlaggebend für die Effektivität Deines Workouts ist. Während das Einatmen durch die Nase und bis tief in den Bauch hinein erfolgen soll, musst Du mit leicht geöffneten Lippen durch den Mund wieder ausatmen. Atme ganz langsam ein, während Du Deinen Beckenboden anspannst und genauso ruhig wieder aus, sobald Du die Spannung wieder löst. Vor dem Workout sollte außerdem die Blase komplett entleert werden.

 

Welche Übungen zur Beckenbodengymnastik gibt es speziell für Frauen?

Es gibt viele sehr einfache, aber dennoch überaus effektive Übungen, die im Zusammenhang mit der Beckenbodengymnastik nach der Geburt zur Auswahl stehen. Eine davon, die unter anderem in Form von Rückbildungsgymnastik für den Beckenboden durchgeführt wird, ist folgende:

Begib Dich zunächst in den Vierfüßlerstand, wobei sich Deine Hände genau unter den Schultern und Deine Knie unterhalb der Hüfte befinden sollten. Klemme nun ein Kissen zwischen Deine Beine, spanne den Beckenboden an und hebe Deine Knie ein Stück an. Nach kurzem Halten der Position kannst Du Dich schließlich wieder entspannen und Dich langsam in die Ausgangsposition zurückbegeben.

Für die nächste Übung musst Du Dich auf den Rücken legen, die Beine leicht angezogen etwa in Hüftbreite aufstellen und die Arme nach unten ausgestreckt auf dem Boden ablegen. Nun drückst Du Dein Becken so weit nach oben, dass sich Beine und Oberkörper in einer Linie befinden, während die Fußsohlen nach unten gepresst werden. Auch diese Position solltest Du kurz versuchen zu halten und Dein Gesäß danach langsam wieder absenken.

Eine weitere Übung funktioniert folgendermaßen: Knie Dich so hin, dass Deine Oberschenkel und Waden im rechten Winkel zueinander stehen. Während Du nun den Beckenboden anspannst, musst Du Dich etwas zurücklehnen und dabei darauf achten, dass Oberschenkel und Rücken stets gerade bleiben. Die Hände kannst Du entweder im Nacken verschränken oder die Arme vor dem Körper ausstrecken. Nachdem die Position kurz gehalten wurde, kannst Du Dich langsam wieder zurück nach vorne bewegen.

 

Effektive Übungen im Sitzen

Darüber hinaus gibt es bei der Beckenbodengymnastik auch Übungen, die im Sitzen stattfinden. So kannst Du Dich zum Beispiel einfach auf einen herkömmlichen Stuhl setzen und die Beine dabei leicht spreizen. Lege nun beide Hände um eines Deiner Knie und ziehe es etwas zu Dir heran. Nachdem Du für einige Sekunden in dieser Position verweilt hast, lässt Du das Knie blitzartig los und streckst Deine Arme beide nach oben.

Du kannst die Beckenbodengymnastik außerdem auch mit einem großen Ball absolvieren. Um Deinen Beckenboden auf dem Gymnastikball zu trainieren, musst Du Dich einfach mit geradem Oberkörper daraufsetzen und ihn mithilfe Deines Gesäßes abwechselnd nach hinten und vorne rollen. Dabei muss die Bewegung aus dem Becken heraus gesteuert werden. Der Oberkörper sollte währenddessen gerade bleiben.

In der gleichen Position kannst Du den Gymnastikball auch nach links und rechts rollen und die Bewegung dabei von der Wirbelsäule aus steuern. Und auch für die Entspannung nach dem Workout ist er bestens zu gebrauchen. Lege Dich hierfür einfach auf den Rücken und platziere Deine Füße auf dem Ball. Mit beispielsweise einem kleinen Kissen oder einer zusammengelegten Decke unter Deinem Becken kannst Du den Beckenboden wunderbar entlasten und entspannen.

Wer neben den typischen Übungen noch zusätzlich etwas tun möchte, der kann sich für die Beckenbodengymnastik außerdem diverse Hilfsmittel besorgen. So sind zum Beispiel Liebeskugeln oder Vaginalkonen sehr beliebt. Dabei handelt es sich um Gewichte, die Frauen in die Scheide einführen können, um die Anspannung der dortigen Muskulatur ganz gezielt zu trainieren. Damit die Gewichte nicht herausfallen, müssen die Muskeln entsprechend kontrahiert werden. Da viele dieser Hilfsmittel völlig unbemerkt während alltäglicher Situationen zum Einsatz kommen können, sind sie bestens dafür geeignet, um das herkömmliche Training sinnvoll zu ergänzen.

 

Welche Übungen zur Beckenbodengymnastik sind vor allem für Männer ideal?

Im Grunde genommen können Männer bei der Beckenbodengymnastik dieselben Übungen absolvieren, die auch Frauen bei Inkontinenz als Gymnastik für den Beckenboden empfohlen werden. Zusätzlich gibt es einige Gymnastikübungen, die speziell für den Mann gedacht sind.

Sind Potenzstörungen die Folge eines geschwächten Beckenbodens, kann Dir diese Übung sicherlich helfen: Du musst im Grunde genommen lediglich Deine Eichel immer wieder für ein paar Sekunden zurück in den Schaft Richtung Peniswurzel ziehen. Anschließend solltest Du den Abstand zwischen Penis und After verkürzen und auf diese Weise versuchen, Deinen Penis Richtung Bauchnabel zu bewegen. Damit wird die Muskulatur, die für eine Erektion benötigt wird, besonders wirksam gestärkt.

Im Falle einer vorliegenden Inkontinenz werden vor allem folgende simple Übungen empfohlen: Setz Dich hierfür in aufrechter Position auf einen Stuhl, der über eine harte Sitzfläche verfügt. Während Dein Gewicht auf dem Schambein sowie den Sitzbeinknochen liegt, atmest Du tief ein, wobei sich Dein Bauch vorne wölben sollte und Dein Beckenboden ganz entspannt ist. Danach atmest Du langsam aus, sodass Dein Bauch wieder flach wird und spannst die Beckenbodenmuskeln an.

Oder Du stellst Dich ganz einfach gerade hin, die Füße etwa hüftbreit positioniert und Dein Gewicht auf beide Seiten verteilt. Während Du einatmest, gehst Du mit geradem Rücken in die Hocke und lässt den Beckenboden dabei ganz locker. Danach atmest Du aus, spannst den Beckenboden an und gehst langsam zurück nach oben. Alle Übungen müssen selbstverständlich mehrere Male wiederholt werden, damit Du Dein Trainingsziel erreichen kannst.

 

Was gibt es sonst noch zum Thema Beckenboden zu sagen?

Im Übrigen profitieren in sexueller Hinsicht nicht nur Männer von der Gymnastik für den Beckenboden. Auch Frauen können durch eine gut trainierte Muskulatur im Beckenbereich ihr Lustempfinden sowie die Kontrolle über den eigenen Körper enorm steigern. Sogar multiple Orgasmen werden dadurch ermöglicht.

Da der Grund für den Beginn der Beckenbodengymnastik allerdings zunächst meist einen medizinischen Hintergrund hat, sollte eine Sache nicht unerwähnt bleiben: Das Training für den Beckenboden kann bei akutem Bedarf – zum Beispiel nach einer erfolgten Operation – als Krankengymnastik von einem Arzt verschrieben werden.

Auch in vielen Praxen für Physiotherapie wird Beckenbodengymnastik auf Rezept durchgeführt. Nachdem man das Training unter fachkundiger Anleitung für einige Zeit gemeinsam absolviert hat, fällt es einem deutlich leichter, dieses auch langfristig in seinen Alltag zu integrieren. Denn für eine dauerhafte Besserung ist es unabdingbar, die Übungen nicht nur zusätzlich zur Behandlung, sondern diese auch anschließend weiterhin eigenständig zuhause durchzuführen.

Und bitte vergiss nicht, im Alltag ein paar ausschlaggebende Grundregeln zu beachten. Besonders wichtig ist es zum Beispiel, stets eine gesunde Haltung einzunehmen, damit der Beckenboden weder zu weich, noch aus der korrekten Stellung geschoben wird. Du solltest deshalb den Rücken immer lang und gerade halten, also weder ein Hohlkreuz noch einen Buckel machen.

Darüber hinaus wäre es gut, wenn Du so wenig wie möglich schwer hebst. Da sich dies allerdings leider nicht komplett umgehen lässt, solltest Du dabei zumindest immer mit geradem Oberkörper in die Knie gehen, die Luft kurz anhalten und während dem Anheben die Bauchmuskulatur anspannen. Ohnehin wäre es wichtig, auch die Muskeln an Deinem Bauch zu trainieren, da sie die Beckenbodenmuskulatur bei der Haltearbeit unterstützen.

Im Allgemeinen kann sich zusätzliche Bewegung nur positiv auf den Beckenboden auswirken, sofern das Becken beispielsweise nicht durch Stöße belastet wird. Als empfehlenswerte Sportarten seien hier unter anderem Schwimmen, Nordic Walking oder Yoga und Pilates genannt.

 

Die Beckenbodenmuskulatur – nicht sichtbar, aber unverzichtbar!

Der Beckenboden – irrtümlich auch häufig Bodenbecken genannt – kann somit auf wirklich simple Art und Weise und ganz nebenbei mit entsprechender Gymnastik trainiert, gestärkt und entlastet werden. Auch wenn man sie nicht sieht, steht eindeutig fest: Die dort befindliche Muskelgruppe übernimmt in unserem Körper überaus wichtige Funktionen. Grund genug also, um sich intensiv um den Erhalt einer funktionstüchtigen Beckenbodenmuskulatur zu kümmern. Sprich auch Du Deinem Beckenboden endlich die tragende Rolle zu, die er im wahrsten Sinne des Wortes verdient!